"Im Haus der Schildkröten" oder "Blau ist das neue Beige"

Montag, 16. März 2009
Heute war ich mal spontan und habe meine Mutter begleitet beim Besuch bei meiner Oma, im Altenheim.

Die Gedanken, die einem an solch einem Ort so drch den Kopf gehen sind sicher nicht neu, und wurden von vielen so schonmal gedacht. Vielleicht hat man selbst auch schonmal darüber nachgedacht, inspiriert durch einen Film oder ein Buch. Da wurde das auch schon oft beschrieben und besprochen.
Aber wenn man dann durch die Gänge geht, über denen dieser bestimmte Geruch hängt, ein Gemisch aus Urin und Putzmittel, wenn man die alten Leute sitzen sieht, oder durch die Gänge schlurfen, dann ist es einfach nochmal was anderes. Dann wird es real. Und nah.

Im Fahrstuhl macht man sich noch Gedanken darüber, warum man eigentlich besser die Treppe nehmen sollte, obwohl es anstrengender ist, nein weil es anstrengender ist, und als die Türe sich aufschiebt, sehen einen die milchigen, wässrigen Augen einer alten, zierlichen Frau, die zerbrechlich wirkt, fragend an: "Entschuldigung, was für ein Tag ist heute?" -"Sonntag." -"Sonntag...noch den ganzen Tag." Sie schlurft weiter in den nächsten Gang, und hat weißes Haar und merkwürdige Klumpen im Gesicht. Wie man sich einen Aussätzigen vorstellt.

Bei meiner Oma im Zimmer angekommen, es ist wahnsinnig warm hier drin, kann sie es sehr gut verbergen, dass sie sich über meinen Überraschungsbesuch freut.
Es wird über die Kurzwahltasten des neuen Telefons geredet. Es hat extra große Tasten. Meine Oma seht sehr schlecht. Ein paar Testanrufe, einige Minuten Schweigen.
Eine Schwester klopft und fragt ob sie Kaffee bringen soll. Nein, wir gehen dann in die Cafeterie runter.
Dort setzt man sich an einen großen Tisch, zu sechs bereits Keffee- und Weintrinkenden alten Menschen. Ein Mann unter Frauen. Wir bestellen Kuchen und ich bin voll damit beschäftigt freundlich zu lächeln, niemanden anzustarren, nicht herumzulungern, und die Torte so langsam wie möglich zu essen, damit meine Hände länger etwas zu tun haben.
Die Damen strecken ihre Achtel Wein mit Wasser, lästern über die ehrenamtlich arbeitende Bedienung, in meinem Alter, die zu lange braucht Untersetzer und mehr Wasser zu bringen.
Es wird festgestellt, dass der Wein gut ist. Alle fünfzehn Minuten.

Mir fällt auf, dass fast alle am Tisch hellblau gekleidet sind. Wird etwa die Farbe der Alten, das Beige abgelöst vom Himmelblau??
Eine der Frauen erinnerte mich die ganze Zeit über an jemanden. Erst zuhause war dann der Groschen unten. Sie sieht aus wie Fozzie Bär, von den Muppets.















Geredet wurde insgesamt nicht viel. Mit meiner Oma noch weniger. Ich bemühte mich mein Lächeln aufrecht zu erhalten und wusste nicht wohin mit den Händen als der Kuchen gegessen war.
Mücken flogen herum. Widerlich.
Ein weiterer Bewohner setzte sich an den Tisch. Auf einen Stuhl verzichtete der hagere Mann aber, und machte es sich auf seinem "Rollator" mehr oder weniger bequem. Die anderen hatten ihre draußen geparkt, oder neben dem Tisch. Jeder durch Bänder oder Schals markiert, damit man seinen eigenen wiederfinden kann, in der Masse.
Meine Mutter erzählte mir, der neudazugekommene Mann sei Maler (gewesen?), seine Bilder hingen im ersten Stock. Wow. Ein Maler. Und jetzt hat er es mit Mühe geschafft Zucker in seinen Tee zu kippen.
Zwei aus der Runde brechen gerade auf, als der Herr Maler aus seinem Körbchen am Rollator eine Schachtel nimmt aus der eine Mundharmonika zum Vorschein kommt. Er spielt verschiedene Lieder. Eine Melodie erkenne ich. Für den Rest bin ich zu jung. Ich bin erstaunt darüber wie solide er das Spiel beherrscht, so zusammengefallen wirkt er. Kein anderer am Tisch scheint es zu beachten, oder gar zu bewundern, wie ich. Vermutlich kennen sie es schon. Vermutlich spielt er die immergleichen Lieder. Mich freut es trotzdem, er nuschelt etwas unverständliches und ich lächle ihm ins Gesicht, und halte seinem Blick stand, während ich mich frage ob das unhöflich ist. Ob er im Kopf noch topfit ist, und nur der Mund nicht mehr so will wie er.

Die Cafeteria beginnt sich zu leeren, nur wir und zwei Bekannte meiner Oma sitzen noch immer am Tisch und einer der beiden, ein Herr in Strickjacke, der ein Helles nach dem anderen verschwinden lässt, erzählt Geschichten von früher, als der brucker Westen noch gar nicht vorhanden war. Nur Wald und Wiesen.

4 Kommentare

  1. markus Says:

    traenengelacht.
    herrlich.fozzierbaer!!!
    die bilder .. ja das werden wir klaeren morgen!
    werd jetz noch ein wenig in mich hineinschmunzeln und auch zu bett gehn

    may the force be withyou

  2. Anonym Says:

    ach astrid, wie schööön...und natürlich gleichzeitig traurig. ich glaub aber, das solltest du öfter machen. deine oma freut sich bestimmt, dich zu sehen, natürlich! ich fürchte nur, in dem alter kann man sein innerstes nicht mehr im richtigen maße nach außen tragen, oder sowas in der art..du weißt was ich mein. und die anderen bewohner freun sich bestimmt auch, mal ein junges frisches gesicht zu sehen!(auch wenn sie an allem was zu nörgeln haben, naja irgendwie muss man sich ja beschäftigen den ganzen tag)mal über ein fsj nachgedacht?

    mich ängstigt nur, was das jetzt über mich aussagt, dass meine (fast-)lieblingsfarbe bei menschen jenseits der 70 voll der renner ist...bin ich benjamin button??

  3. Kadir Says:

    Haha, sehr gut, sehr schön. Ich lese sowas gerne von dir.

    und dass mit Foozie Bär ist ja mal der krasse Abschuss ^^.

  4. Unknown Says:

    Die schönen Detail-Bilder aus der Zaubermühle Oberkemmathen kenn ich doch.....

    thanks Wolfram Müller-Tacke

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